In der Kunstwelt wurde lange Zeit vor allem westliche Kunst bevorzugt und gewürdigt, während Kunstwerke aus anderen Teilen der Welt oft am Rande standen. In diesem Beitrag geht es um Dekoloniale Perspektiven im Kunstkanon, welche darauf abzielen, marginalisierteund unterrepräsentierte Kulturen und Perspektiven in den Kunstkanon aufzunehmen und ihn somit zu dezentralisieren. Durch die Einbeziehung dekolonialer Perspektiven öffnen wir die Tür für eine gerechtere Anerkennung aller künstlerischen Ausdrucksformen weltweit.
Im Hinblick auf das Thema der dekolonialen Perspektiven geht es immer um die kritische Hinterfragung von Machtstrukturen, mit dem Ziel, diese aufzubrechen.
In unserem Beitrag, den wir auf Mural erstellt haben, finden sich daher in erster Linie verschiedene postkoloniale Ansätze, welche sich mit der ungleichen Verteilung von Macht auseinandersetzen. Dabei sei zunächst die Forschung von der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy genannt, die sich intensiv mit Raubkunst beschäftigt und sich um die Wiederherstellung (Restitution) der gerechten Verteilung und Rückgabe von Kulturgütern bemüht. Ein Hauptanliegen von Savoy, welches sie in ihrem Buch “Provenienz der Kulturen” vorstellt, ist, die kolonialen Objekte in unseren Museen wieder mit der Geschichte ihrer Herkunft und dem Prozess ihrer Aneignung zu verbinden.
Weiterhin wird ein Blick auf die Kunstgeschichte geworfen, welche einen bedeutenden Einfluss auf die Zuweisung von Bedeutung und Macht innehat, beispielsweise mit den von ihr genutzten Bezeichnungen, wie die der “nicht-westlichen“ oder „primitiven“ Kunst. In ihrem Text „The West and the Rest?“ diskutiert Julia Allerstorfer, wie die Kunstgeschichte traditionell von europäischen Perspektiven dominiert wurde und wie wichtig es ist, diese Perspektiven zu erweitern, um Kunstwerke aus der ganzen Welt fair zu behandeln. Allerstorfer hebt dabei hervor, dass es bei einer solchen Erweiterung der Kunstgeschichte nicht nur darum geht, mehr Kunstwerke aus verschiedenen Teilen der Welt einzubeziehen, sondern auch die Methoden und Theorien zu überdenken, die in der Kunstgeschichte verwendet werden und vorrangig von westlichen Ländern geprägt werden.
Um den Kunstkanon dekolonialisieren zu können, ist es auch wichtig, die eurozentrische Dominanz in der Ästhetik zu überwinden und die Traditionen und Praktiken kolonisierter Völker und Kulturen mit einzubeziehen und alternative Ansätze zu entwickeln. Kerstin Pinther appelliert dazu, die Kulturproduktion und -rezeption aus den Perspektiven der kolonisierten Völker und Kulturen zu betrachten. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Kreativität und künstlerische Freiheit aller Kulturen gleichwertig anerkannt werden kann. Hier wird besonders das Konzept des „White Cube“ hinterfragt und kritisiert.
Darüber hinaus finden sich in unserem Mural Beispiele von Künstler*innen, die sich kritisch mit Kolonialismus und seinen immer noch wirksamen Einflüssen beschäftigen.
Quellen
- Bénédicte Savoy (2018): Die Provenienz der Kultur. 3. Aufl. Matthes & Seitz Berlin.
- Julia Allerstorfer (2017): The West and the Rest? De- und postkoloniale Perspektiven auf Kunst und Kunstgeschichte(n). In: Allerstorfer, Julia/Leisch-Kiesl, Monika (Hg.): Global Art History. Transkulturelle Verortungen von Kunst und Kunstwissenschaft
- Rafael Cardoso (2022): Den Kanon dekolonisieren? In: Texte zur Kunst Heft Nr. 128/ December 2022 „Art History Update“
- Nora Sternfeld (2014): Verlernen vermitteln. In: Sabisch, Andrea/ Meyer, Thorsten/ Sturm, Eva (Hg.): Kunstpädagogische Positionen
- Sabine Rohlf (2008): Can the Subaltern Speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation. In: Springerin Heft 2/2008.
- Julia Peltra Feldman (2020): Restitution ist nicht genug. Gerechtigkeit in der Gegenwartskunst. Deutschlandfunk. Online unter: https://www.deutschlandfunk.de/gerechtigkeit-in-der-gegenwartskunst-restitution-ist-nicht-100.html
- Kerstin Pinther (2022): Die Kunst Afrikas. München: Verlag C.H.Beck.